Was ist Vergleichen?
Aktualisiert: 20. Dez. 2020

Warum vergleiche ich mich selbst mit anderen?
Ver-gleichen bedeutet für mich, Subjekte, Objekte oder Situationen „gleich“ stellen und schauen, wo die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten sind. Vergleichen scheint ein wichtiger innerer Prozess zu sein, auf Basis dessen, ein Mensch Entscheidungen trifft. Diese Entscheidungen können zu innerem Wachstum führen. Sie können jedoch auch Wachstum verhindern.
Ich möchte mich in diesem Text beschäftigen mit dem Vergleichen von Menschen. Insbesondere mit dem „Vergleich“, der zum Instrument im Rahmen einer fragwürdigen Erziehung wird und seine möglichen Folgen.
Wenn ich ans vergleichen von Menschen denke, dann entsteht in mir erstmal ein ungutes Gefühl. Dieses Konzept „mich mit anderen zu vergleichen“, ist tief in mir verankert, weil ich in ständigem Vergleich groß geworden bin. Ich habe eine ältere Schwester mit der ich verglichen wurde, später kamen da noch Klassenkameraden, Freundinnen, Cousins und Cousinen, und wen noch immer meine Eltern damals gewählt haben, um mir aufzuzeigen, dass ich in dem und dem nicht gut so bin, wie ich bin. Nicht sauber genug, nicht schnell genug, nicht leistungsfähig genug, meine Noten waren nicht gut genug und auch meine künstlerischen Kreationen nicht (ich habe schon früh sehr gerne gezeichnet und gemalt). Mit jedem weiteren Lebensabschnitt kamen dann auch andere Sachen dazu, wie die schulische Leistung, die Haare, mein Sport, meine Sauberkeit in meiner Wohnung, als ich meine erste Wohnung bezog, die Erziehung meiner Tochter, nachdem ich Mutter geworden war, und so weiter, und so fort.
Das Schulsystem hat das Konzept des Vergleichens zusätzlich, sowohl in meinem Geburtsland, als auch in Deutschland, ordentlich unterstützt. Ich war dem permanent ausgeliefert, habe darunter gelitten und irgendwann ist es Teil von meinem Denken, Fühlen und Handeln geworden.
Ich weiß, dass meine Mutter selbst unter den ewigen Vergleichen ihrer Mutter gelitten hat. „Du machst das nicht gut genug“, „schau mal, die andere macht das aber besser“, „wieso kannst du nicht mehr so sein, wie.....“. Es erinnert mich an eine nie ermüdende Hand, die Peitschenhiebe verteilt an ein kleines Kind, später an den Teenager und schließlich auch an die erwachsene Frau.
Für mich hat sich aus ihrem Leiden leider kein Vorteil ergeben. Meine Mutter hat unbewusst das fortgeführt, was meine Oma praktiziert hat.
Dabei ist es beim Vergleichen doch sinnvoll die Intention zu klären. Warum kritisiere ich einen Menschen auf diese Art und Weise? Aus welchem Grund vergleicht eine Mutter ihr Kind mit einem anderen oder warum vergleichen sich Menschen selbst mit anderen? Was ist dabei das Ziel? Ein weiterer Aspekt sind die Maßstäbe. Wer ist dieser jenige, der oder die die Maßstäbe, bzw. das Ziel dieses Prozesses festsetzt. Wer ist dieser „Richter“? Räumt der- oder diejenige, eine Möglichkeit der Überprüfbarkeit ein? Wann weiß ich, dass ich angekommen bin an dem vorgegebenen Ziel?
Meine Mama hat bei ihren ständigen Vergleichen nie ein positives Feedback gegeben. Es schien so, als könnte ich das Ziel, wenn es eins gab, niemals erreichen, so sehr ich mich anstrengte. Diese Art von Kritik hat mich längerfristig nicht motiviert mehr zu tun, sie hat mich demotiviert und tief verletzt.
Heute ist es so, dass ich mich bezüglich der rein naturgegebenen Dinge, wie meinem Körper, meinen Haaren, meinem Humor, meiner Sexualität, meinem Sein, immer noch zu oft in Vergleich mit anderen, bekannten aber auch unbekannten Frauen setze.
Ich liebe meinen Mann sehr und ich mag seine Verspieltheit. Er schaut sich gerne andere Frauen an, erzählt mir von seinen verflossenen, die so schön waren, wie Models, lustig und intelligent. Automatisch beginne ich mich zu fragen, ob ich auch schön, lustig und intelligent bin. Obwohl ich mich sehr schätze und viele meiner Qualitäten doch gut einschätzen kann, machen mich solche Lobeshymnen auf andere Frauen sehr unsicher. Das ist die Macht des „sich selbst vergleichen“. Für mich ist es eine diffuse und anstrengende Suche nach meinen Mängeln. Ich bin auf dieser Suche sehr selten an den Punkt gekommen, an dem ich voller Freude und Frieden feststellen konnte, dass ich in dem oder dem Punkt, gut so oder „besser“ bin. Dieser eine Aspekt reicht aber nicht aus, die Suche geht weiter und weiter. Mein Mann denkt bei seinen Erzählungen natürlich nicht daran, mich zu verletzen oder seine Verflossenen mit mir zu vergleichen. Es ist etwas, was ich in mir habe. Ich könnte es mir auch nüchtern anhören und genießen, dass ein Mann mit offenbar so gutem Geschmack, sich endlich die beste für sich gefunden hat; Mich! Abgesehen davon schaue ich mir selbst gern gut gebaute, attraktive Männer an. In keinem Fall vergleiche ich meinen Mann mit einem von ihnen. Es ist reine „Biologie“ und keine Suche nach einer neuen Entscheidung.
Weiter zur Unsicherheit:
Wenn ich dann also ganz verunsichert und verängstigt vom eigenen inneren Film des sinnlosen Vergleichens bin, dann brauche ich Bestätigung! Ganz viel davon! Diese kann von meinem Mann kommen oder von irgendjemandem. „Ich liebe Dich“. Oder „Du bist eine ganz wunderbare Frau“. „Du bist so schön!“ Oder „Ich möchte mit Dir alt werden.“ Oder „Du bist die aufregendste Frau, die mir je begegnet ist.“ Das alles scheint so wunderbar und schön und doch erreicht es mich nicht, es ist nie genug! Weil ich es mit meiner inneren Unruhe und Unzufriedenheit nicht glauben kann! Ich fühle mich einfach mangelhaft. Ich stelle jegliches Selbstwertgefühl und meine Selbstsicherheit in Frage und verliere den Kontakt zu mir selbst, zu meiner Natürlichkeit, zu meiner Selbstverständlichkeit liebevoll zu sein, mich gut und sicher zu fühlen mit dem, was ich in mir habe. Es ist in etwa so, wenn ich mir anfange darüber Gedanken zu machen, wie ich gehe. Ich verliere das Vertrauen in meine Fähigkeiten, in meine Einzigartigkeit und die Schönheit meines Wesens.
Aufgrund dieses empfundenen Verlustes der Verbindung zu mir selbst, fange ich an im Außen nach Sicherheit dafür zu suchen, dass ich doch okay bin. Ich mache mich abhängig und entwickele Erwartungen, die mein Gegenüber nicht erfüllen kann.
Ich bleibe „nicht gut genug“. Es ist wie ein Fass ohne Boden. In diesem Vergleich, den ich dann anstelle, gibt es kein überprüfbares Ziel, egal ob ich meine „Konkurrentinnen“ kenne oder nicht. Ich verstehe eigentlich gar nicht, was ich da vergleiche, das Gefühl bleibt diffus, das Problem scheint unlösbar. So kann ich niemals an einem Ziel ankommen, ich hänge in der Luft und keiner kann mir helfen.
Im Prinzip ist es so, dass ich mich (vor allem in den Momenten der starken Unsicherheit) gar nicht verändern will. Ich wünsche mir geliebt zu werden, so wie ich bin. Die Unsicherheit ist eine uralte Angst nicht liebenswert zu sein. Eine Angst, die sich nur noch mehr erfüllt, wenn ich versuche ihr zu entkommen, wenn ich sie leugne und mich verhalte, so wie ich in dem Moment nicht bin. Das bedeutet, dass ich grundsätzlich eine klare, freie und unabhängige Frau bin, was sich auch in meinem Verhalten zeigt. Wenn ich jedoch voller Angst bin und versuche mich zu verhalten, wie eine klare, freie und unabhängige Frau, dann stimmt das nicht überein mit dem, was in mir grade ist. Mein Gegenüber merkt das und wird ebenfalls verunsichert! So entsteht auch gerne ein Teufelskreislauf.
An diesem Punkt bleibt mir ganz klar festzustellen, dass ich unsicher bin und nicht klar, frei und unabhängig. Sich das einzugestehen ist nicht gerade einfach.
Der Glaubenssatz „Ich bin nicht gut genug“ ist so tief in mir verankert, dass ich nicht einmal in der Lage bin, seine Sinnlosigkeit zu erkennen! Ich fühle mich ohnmächtig und kann nicht klar denken! Möglicherweise geht es genau darum, dass ich in diesem Zustand bleibe, weil er schon so lange zu mir gehört. Ich bleibe nicht gut genug, ich bleibe minderwertig! An dieser Stelle möchte ich dringend sagen, dass das selbstverständlich nicht so bleiben muss! Mit klaren Fragen zu arbeiten, die diesen Zustand hinterfragen, hilft enorm! Glaubenssätze können ihre Macht verlieren!
Also, was genau vergleiche ich da, wenn ich mich selbst mit anderen vergleiche? Grundsätzlich ist es so, dass ich denke, dass jeder Mensch, jede Frau und jeder Mann, einzigartig ist, sowohl was ihr/sein Äußeres angeht, als auch ihr/sein Inneres. Kein Mensch ist genau, wie der andere.
Es könnte also sehr wohl sein, dass ich meine „Konkurrentin“ kenne und meine Freundinnen mir einstimmig bestätigen, dass ich z.B. hübscher bin, als sie. Hier habe ich einen Anhaltspunkt für das, was ich vergleiche. Und doch trennt sich mein Freund von mir wegen ihr. Ich kann nichts tun, ich kenne weder die Kriterien, nach denen mein Freund entschieden hat, noch liegt es außerhalb meiner Macht, wie sich mein Freund entscheidet. Es liegt alles im „Auge des Betrachters“, wie man so schön sagt. Und je nachdem, wer betrachtet, verändert sich auch das Betrachtete. Meine Sicht auf andere ist immer eingeschränkt, weil ich Menschen nur im Kontext meiner eigenen Welt betrachte. So können 3 verschiedene Menschen unterschiedliche Wesenseindrücke von ein und derselben Person haben.
Es bleibt, dass jeder Mensch in sich vollkommen und einzigartig ist!
Dennoch ist es verletzend, wenn sich eine Person, die ich liebe, einer anderen zuwendet. Ich kann letztlich nicht finden, was ich vergleichen kann, es sind viele Punkte, an denen ich ansetze könnte. Es würde dahin führen, dass ich alles an mir kritisiere oder hinterfrage und mich letztlich so klein mache, dass es mir damit nicht gut geht! Wenn ich verlassen worden bin, weiß ich nicht warum, finde mich dann selbst fragwürdig und verurteile auch den Menschen, der oder die mich verlässt. Doppelt negativ! Und wenn mein ex-Partner mir sagt, warum, dann macht es das auch nicht besser, weil ich ich bin und bleiben möchte. Und ich bin traurig, weil man mich nicht so liebt, wie ich bin.
Zum inneren Richter:
Ich frage mich weiter, wer mein innerer Richter eigentlich ist und welche Maßstäbe dieser festgesetzt hat. Ich habe das Gefühl, dass dieser Richter niemals sagen wird „Jetzt ist es genug“, „Jetzt bist Du gut genug“. Es gibt keine erreichbaren Ziele. Wem will ich denn dann eigentlich genügen? Läuft das nicht auf ein totales Frustrationsdesaster hinaus? Ich werde niemals hübsch genug sein, niemals intelligent oder lustig genug sein. „Scheiße man“! Soll ich nun aufgeben? oder beschließe ich, dass der Richter in mir ein Trottel ist, der keine Ahnung hat von meiner Einzigartigkeit?
Ich gebe nicht so gerne auf! Also beschließe ich zu glauben, dass ich wunderbar bin so wie ich bin und keiner mich vergleichen kann! Ich setze meine Maßstäbe also selbst! Bis dieser Glauben den vorherigen ablöst, darf der neue Glauben, z.B. als Affirmation, viel geübt werden!
Der innere Richter, wie alle Gefühle und Stimmen in mir, möchte auch angenommen und verstanden werden. Welche gute Absicht könnte so ein scharfer Richter also haben? Möglicherweise ist es das "gut bekannte", das, obwohl es dem Wachstum des Selbstwertes widerspricht, eine gewisse Sicherheit mit sich bringt! Es ist das was ich kenne. Die eigene Komfortzone zu verlassen brauch es viel Mut.
Prinzipiell möchte ich darauf hinaus, dass in meiner Welt, Vergleiche im zwischenmenschlichen Bereich nur bedingt sinnvoll sind. Die Bedingungen hierbei sind, Freiwilligkeit und dass es ein selbsterwähltes Ziel gibt, welches auch erreicht werden kann. Dieses Ziel muss überprüfbar sein, sonst weiß man nicht, wann man angekommen ist und aufhören kann Energie zu investieren. Dann weiß man, dass man es geschafft hat und kann sich freuen über seine Wirksamkeit. Man kann einen Erfolg feiern. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn ich mir das Verhalten einer Person aneignen möchte. Ich kann mir diese Person als Vorbild nehmen und meinem Ziel durch Imitation näher kommen. (Um das zu realisieren gibt das Repertoire an NLP Techniken etwas sehr wirksames her!) Ein weiteres Beispiel ist ein Traumgewicht, welches ich unbedingt wieder erreichen möchte. Es gibt so viele Beispiele für das Nachahmen von ganz bestimmten Verhaltensweisen, Sprechweisen, Aussehen uvm. zwischen Menschen. Das ganze geht schneller, wenn sich Menschen mögen. Dann benutzen gute Freunde z.B. nach kurzer Zeit die gleichen Sprüche. Wir gleichen uns einander an, weil wir das wollen, freiwillig. Es macht Spaß sich sympathischen Menschen anzugleichen, es ist ein Prozess des inneren Wachstums, weil dadurch der eigene Horizont erweitert wird.
Es macht hingegen keinen Spaß, unfreiwillig Anpassungen an sich vornehmen, um jemandem zu gefallen? Das ist selbst-verletzend.
Wie schaut es in der Berufswelt oder im Sport mit dem „Vergleich“ oder der „Konkurrenz“ aus? Es wird gesagt, dass Konkurrenz anspornt und zu Höchstleistungen antreibt! Hier geht es oft darum, dass Menschen um eine Position wetteifern. Wer bekommt die Stelle, die Leitung über das Projekt, den Einsatz, wer kommt zu den "Besten", wer kommt höher, wer kommt weiter?
Zu lernen, sich zu verändern, sich zu entwickeln, sich zu verwandeln sind wichtige Prozesse im Leben. Diese Prozesse mit Spaß und Freude zu leben, kann sehr bereichernd und gesund sein. Denn, eines der Merkmale des Lebens ist Bewegung und Wachstum.
In jeder Lebensphase kann es gut und wichtig sein, zu überprüfen, wo man aktuell steht und ob man etwas verändern möchte. Hier spielt der Kritiker, den ich weiter oben als "inneren Richter" betitelt habe, eine wichtige Rolle. Dieser Teil der Persönlichkeit eines jeden Menschen ist wichtig und wertvoll, um gesundes inneres Wachstum zu ermöglichen, solange er nicht die alleinige Herrschaft übernimmt. Dann kann es in die andere Richtung gehen. (Aufgrund dessen, dass alles perfekt getan werden muss, kann es sein, dass einige Vorhaben nicht oder sogar niemals in die Tat umgesetzt werden.)
Falls die Frage nach einer Veränderung bejaht werden kann, stellt sich die weitere Frage, wohin man möchte. Es ist enorm wichtig genau zu definieren, was das Ziel ist und ob und wie das Ziel überprüft werden kann. Ist das Ziel nicht überprüfbar, kann es darauf hinaus laufen, dass es kein Ende des Strebens gibt, kein „gut genug“, kein "angekommen" oder "geschafft". Man bleibt stetig auf dem Weg und hat nie das Gefühl anzukommen. Erfahrungsgemäß landet man in einem Leben begleitet von Unzufriedenheit.
Ziele und die Wege dahin sind ein ganz wunderbares Thema, zu dem es sehr viel zu lesen gibt! Ziele motivieren Menschen und motivierte Menschen haben Ziele.
Meine bisherigen Erfahrungen zeigen folgendes:
Vergleichen kann das eigene Selbstwertgefühl fördern, wenn:
- hinter dem Vergleich ein erreichbares Ziel steht
- das Ziel selbsterwählt und überprüfbar ist
- ein Ziel fremdbestimmt ist und im Sinne des Wachstums und Entwicklung der betreffenden Person und es durch regelmäßiges positives Feedback begleitet wird (z.B. auf der Arbeit oder Erziehung von Kindern)