Was ist Gewohnheit?
Aktualisiert: 12. Jan. 2021

„Gewohnheit“ beschreibt wohl einen Zustand, indem, sich wiederholende Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster gelebt werden. „Gewohnt“ deutet auf etwas Bekanntes, und „gewöhnlich“ beschreibt etwas, was scheinbar seine Besonderheit verloren hat. Im Gewohnten gibt es keine Überraschungen mehr, nichts Unvorhergesehenes. Gewohnte Muster, sei es im Fühlen, Denken oder im Handeln laufen „automatisch“, also unbewusst ab. Unser Bewusstsein, also unsere Aufmerksamkeit auf das, was passiert und wie es passiert, bewegt sich im sehr niedrigen Bereich.
Wenn ich den Menschen, als energiesparendes Wesen betrachte, dann sind Gewohnheiten etwas sehr sinnvolles. Unsere Energiereserven wären bei dauerhaft aufmerksamer Gehirnleistung viel zu schnell ausgeschöpft. So muss ich mir über das „Wie“, beim Gehen, Autofahren und den Toilettengang keine Gedanken machen.
Betrachtet auf das Leben, sind Gewohnheiten, in meinen Augen, nicht zu unterschätzen. Das, was wir tun, bestimmt unser Leben. Denn zu handeln bedeutet, etwas auszuleben. Der Spruch „Mein Leben ist das, was ich daraus mache“ stimmt indem Sinne, als das er auf das „machen“ als Ergebnis eines inneren Prozesses hindeutet. Und „machen“ deutet auf Macht! Es lohnt sich anzusehen, was wir tagtäglich so machen, um festzustellen, was in uns Macht hat. Schließlich ist es genauso wichtig zu überprüfen, was unsere Handlungen mit unserem Selbstwert zu tun haben!
Wie bereits erwähnt sind Gewohnheiten sehr sinnvoll. Selbstgewählte und bewusst einprogrammierte Gewohnheiten, können zu einem Leben in Freiheit und Fülle führen.
Im folgenden Text möchte ich jedoch herausarbeiten, wie meine unbewussten, gewohnten Denk-, Gefühls- und Handlungsmuster mich beschränkt haben.
Meine Erfahrung ist unter anderem, dass Gewohnheiten mich davor bewahren können neue Möglichkeiten zu erkennen. Sie können mich davor bewahren neue Gefühle zu fühlen, neue Gedanken zu denken und neue Wege zu gehen! Das „blöde“ an der Gewohnheit ist, dass sie sich stimmig, passend und bekannt, also auch gut anfühlt, auch wenn einige Gewohnheiten objektiv betrachtet, gar nicht so gut sind! Subjektiv betrachtet, ist an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, dass alles, was man tut und nicht tut, eine positive Absicht für das eigene Leben hat! Denn sonst hätte es sich nicht durchgesetzt, als die "einzige" Möglichkeit unter der Vielfalt an anderen Möglichkeiten. Das Leben ist allerdings ein Prozess, indem sich alles wandelt und nichts Bestand hat, sodass etwas, was heute stimmt, morgen wieder keine Gültigkeit haben muss und seinen Sinn verlieren kann.
Wie gewohnte Fühl- und Denkmuster mich davor bewahrt haben tiefe Liebe zu entdecken, möchte ich anhand einer Geschichte aus meiner Jugend darstellen.
In der Schule (5.te bis zur 10.ten Klasse) habe ich nicht viele Freunde gehabt. Ich habe immerzu geglaubt (unbewusst), ich sei minderwertig und nicht gut genug. Ich dachte ich sei nicht hübsch genug und auch nicht klug. Ich hatte Angst Fehler zu machen, weil dann alle wüssten, dass ich dumm bin. Ich wollte auch nie im Vordergrund stehen. Wollte jemand meine Leistung oder meine Kleidung loben, habe ich mich immer schlechter geredet, meine Leistungen heruntergespielt und meine Klamotten als billige Ware von Lidl, Aldi oder Woolworth deklariert. Ich dachte „Ich brauche Dein Lob nicht, Du meinst es doch eh nicht so.“ Positive Dinge über mich konnten nicht stimmen, weil ich nie gut genug war. Mein Vertrauen anderen Menschen gegenüber war nicht vorhanden. Ich hatte bis dahin gelernt zu misstrauen und diese Gewohnheit nie hinterfragt.
Ich hielt mich für eine „Niemand“. Ich hing notgedrungen mit Mädels ab, die genau wie ich, Außenseiter der Klasse waren. Glücklich war ich damit nicht! Damals fingen bei uns in der Klasse die ersten Liebeleien an. Keiner der gutaussehenden, coolen Jungs im Jahrgang interessierte sich für mich.
Und dann war da Henry. Henry und sein Zwillingsbruder waren in meiner Nebenklasse. Sie waren super beliebt, alle wollten mit den beiden in der Pause abhängen. Sie waren B-Boys und dementsprechend athletisch sahen Ihre Körper aus. Sie lachten viel und hatten viele Freunde.
In einer Freizeitstunde spielte ich Tischtennis mit einer der Mädels, mit denen ich so meine Zeit in der Schule verbrachte. Der Rest meiner Klasse spielte ebenfalls Tischtennis, und die, die nicht spielen lungerten dort einfach nur herum. Unbemerkt stellte sich Henry neben mich und sprach mich an. Ich erinnere mich zwar nicht genau, aber es schien ein Kompliment zu sein. Ich war völlig überfordert. Ich wurde rot, mein Herz pochte und ich wollte, dass er geht. Es war unangenehm und überwältigend schön zugleich. Er sprach weiter mit mir. Meine Klasse schaute auf uns beide und der Moment schien wie eingefroren. Ich antwortete leise. Er fragte, ob wir zusammen nach Hause gehen. Ich war noch mehr überfordert und willigte irgendwann mit einem schüchternden „Okay“ ein. Dann sagte er noch wann er Schluss hat, und dass er mich dann abholt. Ich dachte: „Oh mein Gott! Was passiert hier? Was will er von mir? Ich bin nicht beliebt, nicht hübsch, wie konnte er mich überhaupt bemerken?“
Auf dem Nachhauseweg war ich so nervös, ich wusste nicht einmal, was ich mit Ihm besprechen sollte. Er hingegen schien sehr entspannt, stellte mir Fragen und erzählte von sich. Ich fand ihn so cool und habe ihn bewundert.
Es verging nicht viel Zeit und ich verliebte mich in Henry.
Wir trafen uns mittlerweile sehr regelmäßig in unserer Freizeit. Wir spazierten zusammen in der Nachbarschaft, hörten Musik, chillten auf den Bänken vor unseren Häusern, ich lernte seine Freunde und Familie kennen, und irgendwann auch seine Ängste und Zweifel. Er hat sich wirklich sehr um mich und unsere Freundschaft bemüht. Ich konnte all die Zeit nicht glauben, dass er vielleicht „etwas von mir wollen“ könnte. Ich war 14 Jahre alt. Henry hat mir so viel gegeben. Ich war verliebt in ihn und er in mich. Wir küssten uns manchmal, und sprachen nie darüber, was wir haben.
Schließlich fühlte sich für mich alles so uneindeutig an und ich ließ mich auf einen anderen Jungen ein, der sehr aggressiv war und Besitz ergreifend.
Wenn ich heute darüber schreibe, merke ich, wie unbewusst ich damals war. Ich war blind und gefühlt unempfänglich für das Gold, was Henry mir schenkte. Ich war blind für seine Liebe und Zuneigung, Freundschaft und Anerkennung, für den ewigen Respekt und die Wertschätzung. Er sah mich, wie ich war. Er liebte mich und ich liebte nicht! Wenn ich etwas stark ausgebaut hatte im Laufe meines damaligen Lebens, so sind es die Sensoren für Leid und Elend. Das war das, wo mein Fokus jahrelang lag. Mein Überleben hing ja davon ab.
Da wo Leid und Elend waren, da fühlte ich mich gebraucht, zugehörig und wohl. Da wo Liebe war, konnte ich mich nicht einordnen. Wurde ich da gebraucht? Nein. Das war meine Wahrnehmung. In der Liebe kam ich an meine Grenzen. Ich habe mich unwohl gefühlt, es war ungewohnt für mich, dass mich jemand liebevoll behandelte, ohne etwas dafür zu verlangen! Ich konnte nicht mit Henry sein, ich konnte nicht verstehen, was er von mir wollte. Das was er in mir sah, passte nicht zusammen mit dem was ich über mich dachte. Also entschied ich mich für das, was ich kannte, weil ich nicht wusste, wie ich es hätte anders machen können.
Henry und ich sind heute immer noch befreundet. Er hat mir mittlerweile auch verraten, dass er mich tief liebte und es ihn sehr verletzte, dass ich uns beiden keine Chance gab.
Ich stelle fest:
In gewohntem Umfeld fühlen wir Menschen uns wohl.
In ungewohntem Umfeld fühlen wir uns unwohl. Auch wenn dieses ungewohnte Umfeld, ein Angebot der Liebe bereit hält. Es scheint unpassend zu sein und sich damit zu beschäftigen sehr anstrengend, weil gegenwärtiges hinterfragt und ggf. neues gelernt und etabliert werden muss. Es muss gezielt Energie aufgewendet werden, immer wieder. Zudem kommt das Gefühl der Unsicherheit, was in seiner Essenz Angst ist.
Ich dachte, dass „Liebe“ doch nicht so schwer sein kann und investierte keine Energie in die Beziehung zu Henry. Heute weiß ich, dass ich von Liebe nicht viel verstand. Generell fehlte es mir an Bewusstsein für mich, meine Wünsche und Sehnsüchte. Für das, was für mich wichtig war. Ich war gewohnt mich selbst und meine Bedürfnisse zu ignorieren.
In Änderungsprozessen ist Erfolg am größten, wenn das Ziel selbst gewählt ist. Es sollte klar sein, wofür wir uns entscheiden und was wir zurücklassen. Wichtige Leitfragen waren für mich: „Was bin ich mir selbst wert?“, „Was ist mir wichtig?“, „Was will ich leben?“, "Wie ist meine ganz persönliche Definition der Werte, die ich für erstrebenswert halte?“ Vertrauen/Freundschaft/Liebe...") und "Was passiert, wenn ich weiter so lebe, wie bisher?"
Für meinen weiteren Weg der selbstgewählten und bereits erfolgreichen Veränderung, hat es mir enorm geholfen, dass ich meinen Mann kennenlernte. Er lebt die Werte, die ich anstrebe zu leben. Meine Sinne haben sich im Laufe der Zeit mehr und mehr geschärft und ich sehe immer mehr Menschen, die ähnlich leben, wie mein Mann und ich.
Da alte Gewohnheiten nicht alle auf einmal verschwinden, ist es wichtig auch mal im Alltag zu schauen. Ich fand eine Situation mit meinem Mann:
Mein Mann ist ein sehr liebevoller Mensch. Er versucht vor allem an den Wochenenden, an denen meine Tochter bei uns zu Besuch ist, viel Transparenz in die Pläne von jedem reinzubringen um gemeinsame Aktivitäten herauszuarbeiten. Eines Morgens stellte er fest, dass meine Tochter zum Spielplatz wollte und es laut Wetterbericht ab 12:00 Mittags regnen sollte. Es war 09:00 Morgens und ich bereitete meinen ersten Kaffee zu. Ich brauchte noch etwa 1-2 Stunden um in den Tag zu starten. Ich bin es gewohnt morgens Zeit für mich zu haben, worauf mein Mann Rücksicht nahm und mitteilte, dass wir um 11:00 zum Spielplatz gehen könnten.
Ich hatte wundevolle zwei Stunden für mich, ging fröhlich in die Küche und sagte zu meinem Mann, dass ich jetzt voll den Hunger hätte. Er sagte, dass wir es dann ja nicht mehr zum Spielplatz schaffen. Ich legte ihm meine Hand auf seine Schulter und sagte mit einem Lächeln: „Wie gut, dass Du schon gegessen hast.“ Das fand er gar nicht cool und wollte wissen, wie ich das meine und warum ich das so sage. Ich dachte mir nicht viel dabei und sagte, dass ich es wohl aushalte mit dem Essen und wir gleich gehen könnten.
Einige Minuten später stellte sich jedoch heraus, dass meine Tochter doch nicht mehr auf den Spielplatz wollte und mein Mann fragte mich leicht verärgert, ob wir beide denn mal kurz raus gehen könnten. Ich fühlte seine Anspannung, wusste aber, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe und so gingen wir raus. Ich habe einen Vorwurf erwartet, eine Konflikt provozierende Kommunikation seinerseits. Und er fragte nur ruhig, warum ich so reagiert habe. Nur über seine Fragerei fanden wir beide heraus, dass ich mich durch seinen Kommentar, dass "wir es dann nicht mehr zum Spielplatz schaffen", unter Druck gesetzt gefühlt habe. Ich habe mich fremdbestimmt gefühlt. Ich durfte nicht essen, weil wir zum Spielplatz gehen. Und da ich seit meiner Kindheit quasi allergisch auf Fremdbestimmung reagiere, habe ich recht aggressiv geantwortet („Wie gut, dass Du schon gegessen hast.“), was er genauso wahrgenommen hat.
Hier möchte ich aufzeigen, dass ich es wohl „gewohnt“ war, dass „man“ mich in solch einer Situation beschuldigt, ohne Rücksicht auf meine Gefühle. Das hatte ich dann entsprechend erwartet.
Mein Mann hat etwas, in meiner Welt, sehr ungewohntes gemacht. Er hat sich für mich interessiert und versucht mich zu verstehen, obwohl er sich angegriffen fühlte. Ich war sehr beeindruckt, vor allem weil ich bemerkte, wie sehr ich noch in meinen alten, scheinbar gewohnten Gedankenmustern feststeckte. Diese haben mich auf einen Konflikt vorbereitet. Ich erwartete einen Angriff gegen den ich mich verteidigen würde. Es war die einzige Möglichkeit in dem Moment, die ich sah. Meine Gewohnheit hat mich an dieser Stelle sehr beschränkt. Ich konnte weder mich, noch ihn wirklich sehen.
Gewohnheiten sind sehr machtvoll! Diese Fähigkeit des Gehirns kann bewusst genutzt werden um Denk-, Fühl- und Handlungsmuster zu festigen, die eine positive Wirkung haben auf das eigene Leben.
Es ist so sehr wichtig Klarheit und Bewusstsein in die eigenen, Denk-, Fühl- und Handlungsstrukturen zu bringen um sie bestmöglich für ein langanhaltendes, positives Lebensgefühl zu nutzen.
Eine positive und vertrauensvolle Einstellung zum Leben, zu sich selbst und den anderen, kann erlernt werden und durch ständiges Wiederholen zur Gewohnheit werden. Positive Gewohnheiten werden am besten etabliert durch die Verknüpfung des eigenen Zieles mit einem erstrebenswerten Gefühl. ("Wie will ich mich fühlen, wenn ich am Ziel angekommen bin?" Hier können die eigenen Werte gefunden werden.) Das Gefühl dabei zeigt auf, ob das Ziel das eigene ist oder eher nicht. Wenn es das eigene ist, fühlt man sich gut oder sogar begeistert, und der Bauch sagt „JA!“. Eine riesige Motivationswelle entsteht und es wird viel Energie zu spüren sein. Ein Lächeln macht sich möglicherweise auf den Lippen breit :)
Für eine etablierte, gewohnte Denk-, Fühl- oder Handlungsstruktur, muss nicht mehr viel Energie aufgewendet werden. Das gelernte wird unbewusst ausgeführt.
Da das Leben im Fluss ist, verändert es sich stetig. Es ist immer wieder gut auf das Jetzt zu schauen. Ein Überblick über die eigenen Projekte und das Gefühl, welches dabei entsteht.
Wenn ich mir klar mache, dass ich nichts muss und alles selbst gewählt ist, kann ich Veränderungen herbeiführen. Ich bin die Erschafferin meiner Realität. Ich entscheide was, wann passiert und mit wem. Je häufiger ich das tue, was ich mir bewusst aussuche, desto stärker werde ich.
Übe Dich darin, Dir selbst immer wieder die Wahl zu geben! Probleme entstehen dann, wenn wir das Gefühl haben, keine Wahl zu haben. Wir greifen dann zu dem, was wir kennen. Zu Gewohntem. Funktioniert das Gewohnte immer, oder erbittet das Leben weitere Handlungsmöglichkeiten?
Um noch mehr über Gewohnheiten zu erfahren und wie neue Gewohnheiten etabliert werden können erfährst Du in diesem lesenswerten Artikel vom UrBestSelf-Team:
https://urbestself.de/blogs/article/gute-gewohnheiten-entwickeln?mc_cid=302a6d0e22&mc_eid=b55b23b0bd